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tumult

2020

Heute ist Freitag der dreizehnte. Nicht, dass ich abergläubisch wäre, aber seit Anfang 2020 habe ich das Gefühl, dass alles passieren kann. USA und Iran, Australien, Großbritannien, …

Ich habe nicht einmal die dazugehörigen Ereignisse erwähnt und Du weißt trotzdem, wovon ich rede. Und als tägliche Erinnerung daran, dass nicht mehr alles normal ist, Covid-19. Ich denke wir wissen alle, dass dieses Jahr durchwachsen war. Für mich fühlt es sich immer noch wie ein Traum an, ein komisches Ereignis nach dem nächsten und das nicht nur bei mir privat, sondern weltweit.

Jetzt ist November und ich bekomme nicht mal die Chance aufzuwachen, denn der zweite Lockdown legt sich gerade über mich und die Welt. Ein Lockdown „light“. Dieses „light“ soll mich und Dich nur leicht in den alltäglichen Aktivitäten einschränken. Wobei leicht echt Ansichtssache ist.

Mich persönlich treffen die Vorkehrungen tatsächlich nur leicht. Auf der Arbeit ermöglicht mir das Internet Recherchearbeit ohne Kontakt zu anderen Menschen. Texte kann ich auch alleine an meinem Platz schreiben. Daher wird auf Arbeit natürlich auch die Möglichkeit genutzt, mich größtenteils im Home Office arbeiten zu lassen. Das klingt entspannt, aber wenn Du die Erfahrung gemacht hast, bist du da vielleicht anderer Meinung. Es fehlt der echte Kontakt.

Ich denke durch die Erfahrung des ersten Lockdowns, sind meine Erwartungen niedrig und die Einschränkungen treffen mich nicht mehr so hart. Mir fehlt zwar zum Teil der Kontakt zu meinen Arbeitskolleg:innen, aber was ich mehr vermisse, ist der Kontakt zu meinen Freund:innen. Oder das unbeschränkte Verhalten in der Öffentlichkeit. Den einfachen Ablauf ins Fitnessstudio zu fahren, am Wochenende mit meinen Freund:innen zusammen zu kochen und danach weg zu gehen. Kurz gesagt, das Aufwachen aus diesem gleichgültigen, grau scheinenden, sich immer wiederholenden Prozess des Alltags. Allerdings geht das seit Anfang des Jahres nicht, weswegen mich das auch nicht mehr groß aus der Fassung bringt.

Im März und April bin ich noch sehr achtsam mit den vorgegebenen Maßnahmen umgegangen. Es war eine neue Situation, ich hatte Risikopatienten zu Hause und wollte diesen natürlich keinen Schaden durch Unachtsamkeit zufügen. Doch jetzt im November sind die Maßnahmen zur Routine geworden, und mein Verhalten diesbezüglich fahrlässiger. Ich gehe einkaufen und sehe meine Maske als Eintrittskarte. Dass ich das ins Gesicht fassen vermeiden und mir regelmäßig die Hände desinfizieren sollte, habe ich schon komplett vergessen. Dabei sind mir meine Angehörigen keinesfalls unwichtig geworden. Mein Unterbewusstsein sucht sich gerade den einfachen Weg des Nicht-mehr-wahrnehmens. Da liegt es an mir Disziplin und Prioritäten durchzusetzen.

Die meisten meiner Freund:innen machen gerade ihren Abschluss. Nix mit spontanen Aktionen, Winterspaziergängen oder zusammen Zeit verbringen. Die meisten Tage wabern also eher ohne große Motivation vor sich hin. Im Winter verfalle ich meistens in eine kleine „Winterdepression“. Durch den verringerten sozialen Kontakt verstärkt sich dieses Gefühl natürlich etwas. Ich weiß nicht ob es nur mir so geht, aber das weihnachtliche Gefühl wird immer müder. Lebkuchen werden Anfang September verkauft und Ende November versuche dann auch ich mir „Wonderful Christmastime“ von Paul McCartney in die Playlist zu schieben. Als Kind hab ich das Lied zum ersten Mal in dem Film „Rudolf mit der roten Nase“ gehört. Danach lief es Jahr für Jahr in Dauerschleife. In den letzte zwei Jahren blieben der Vibe und die Vorfreude weg. Vielleicht liegt es daran, dass es nicht mehr schneit und es nicht mehr kalt wird – Klimawandel ballert halt auch in Deutschland. Oder ist das so eine Sache die beim Älterwerden passiert?

Der geplante Halbschlaf, mit dem ich die Winterzeit sonst überstehe, geht jetzt also ungeplant in einen Tiefschlaf über. Dadurch, dass Corona meine Aktivitäten nach der Arbeit und am Wochenende ziemlich einschränkt, schlafe ich, wie du in diesem Text vielleicht schon mitbekommen hast, viel. Für meine Verhältnisse sehr viel. An die zehn Stunden pro Tag. Mindestens.

Hoffnung gibt mir, dass ich mein Zeitgefühl während des ersten Lockdowns, sozusagen der ersten Tiefschlafphase, komplett verloren hatte. Vielleicht tritt das auch jetzt ein, sodass der Frühling und das Aufwachen aus diesem Traum schneller da ist als erwartet.

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