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tumult

Isolationsgefühle

Als ich mir letztens meine verschriftlichten Texte und Gedanken aus den letzten Monaten durchgelesen habe, ist mir ziemlich schnell aufgefallen, dass viele von ihnen ein gemeinsames, zentrales Motiv haben: Sehnsucht. Sehnsucht nach der Ferne, Sehnsucht nach den Menschen, dem Leben oder einfach Sehnsucht nach dem abends Rausgehen. Der Winter ist eigentlich die Zeit, in der ich mit meinen Freunden solange draußen bin, dass ich gefühlt fast erfriere und wir uns dann bis tief in die Nacht in Cafés aufhalten um wieder warm zu werden oder uns kleine Konzerte angucken um Musik auch einfach mal zu Leben und nicht nur zu hören. Das Ganze gestaltet sich nur als etwas schwierig, wenn die Welt im Lockdown dümpelt und wir nur noch in verschlafene Tage leben ohne wirklich einprägsame Erinnerungen zu schaffen. Man geht zwar immer noch raus um zu spazieren, Trinken den Tee dann aber am eigenem Schreibtisch und vibed nur in leichten Schwüngen zur Musik mit, während man ein bisschen im Spagat zwischen Selfcare und kein Bock mehr auf Zeit mit sich selbst hängt.

So oder so ähnlich denken gerade viele Jugendliche und junge  Erwachsene, deren Leben bis vor einem Jahr von Feiern, Konzerten und Treffen in großen Freundesgruppen geprägt war. Während für viele der älteren Generationen die meisten Erinnerungen der Schulzeit nicht im Schulgebäude entstehen, kommen die unserer Generation zurzeit hauptsächlich aus den eigenen vier Wänden. Statt feiern am Wochenende bleiben uns zum Schutz der Allgemeinheit nur Treffen mit den engsten Freunden oder Onlinekonferenzen. Der Ausgleich zum anstrengenden Schulalltag fehlt einfach – teilweise so sehr, dass man sich wieder über den Präsenzunterricht freut, da dieser wenigsten etwas soziale Interaktion mit sich bringt.

Ja wir sind mittlerweile an dem Punkt an dem sich Schüler*innen auf Schulbesuche freuen.

Das kommt zum einen dadurch, dass sich laut dem Meinungsforschungsinstitut YouGov 83% der Jugendlichen aus Solidarität – also vor allem um andere zu schützen – an die Schutzmaßnahmen halten. Pandemietreiber, wie große „Coronapartys“ sind hierzulande glücklicher Weise Einzelfälle und Kontakte außerhalb der Schule werden von den meisten stark  minimiert. Man hilft quasi damit im eigenen Zimmer zu gammeln und sich dort mit dem zehnten „Rick und Morty“-Marathon  auf Netflix, den super perfekten Menschen auf Social Media oder dem Aktualisieren der überlasteten Bildungsserver  die Zeit zu vertreiben. Ist doch das perfekte Leben für uns Faullenzer könnte man meinen, oder? Naja, leider sind junge Erwachsene auch diejenigen, die am meisten unter den Maßnahmen leiden, da es in unserem Alter von höherer Bedeutung ist am kulturellen Leben teilzunehmen. Eine Studie der Uni Erfurt zeigt, dass Jugendliche von Unzufriedenheit, Verbitterung und fehlender Nähe betroffener sind als alle anderen Generationen. Zusätzlich ist jedes dritte Kind psychisch auffällig.   Die Jugend  ist eben einfach der Lebensabschnitt in dem man seinen Platz in der Gesellschaft sucht, die ersten Schritte in das eigene Leben macht und auch seine potentiellen Partner*innen kennenlernt, wofür soziale Events einfach die Grundlage sind. Durch den fehlenden festen Stand im Leben sind jugendliche und junge Erwachsene auch stärker auf sich gestellt und erhalten weniger soziale Unterstützung durch ihr Umfeld. Es ist demnach also auch schwieriger aus diesen negativen Gefühlen zu entkommen.

Das ganze heißt nicht, dass wir die Maßnahmen nicht mehr beachten und unser hohes Verständnis für diese aufgeben sollten. Diese Studien verdeutlichen lediglich, dass es vollkommen normal ist, diese enorme Sehnsucht nach der präpandemischen Zeit und einem normalen Leben mit Partys, Konzerten und Co zu haben. Wir alle haben im Umgang mit der Pandemie stärke, Eigenständigkeit und eine hohe Flexibilität bewiesen, die uns definitiv im Leben weiterbringen. Es ist jedoch auch vollkommen legitim sich in diesen Zeiten schlecht, ausgelaugt, unzufrieden oder auch depressiv zu fühlen. Für diesen Fall findet ihr Hilfe auf unserer Website und bei den Kolleg*innen vor Ort.

von: Til 

Veröffentlicht am 12. Februar 2021

 

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* https://projekte.uni-erfurt.de/cosmo2020/web/topic/vertrauen-zufriedenheit-ressourcen/20-belastungen/#psychische-belastung